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Landschaftspflege mit Ziegen

Die Pflege von Magerrasen kann für Öko-Betriebe ökonomisch sein

 

In Lebendige Erde 2/2003, 12-14

Gerold Rahmann, Institut für ökologischen Landbau (OEL) der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Trenthorst 32, 23847 Westerau

 

Im Ökologischen Landbau in Deutschland werden schätzungsweise 15.000 Ziegen gehalten. Dieses sind rund 10% aller Ziegen. Der Schwerpunkt liegt in Bayern und Baden Württemberg. Die Bestände sind meistens sehr klein, nur selten gibt es Herden über 100 Tiere. Häufig werden weniger als 10 Tiere gehalten, vielfach aus Hobby. Ab 50 Tieren kann von einem wichtigen Betriebszweig ausgegangen werden. Meistens werden Milchrassen (>90%) gehalten, aber nur ein Teil von ihnen wird gemolken (geschätzte 5.000 Tiere).

Die spezialisierte Ökologische Fleischziegenhaltung - z.B. mit der Burenziege aber auch den Milchrassen - ist in Deutschland noch wenig verbreitet, jedoch mit steigender Tendenz, insbesondere in den Mittelgebirgen und den Alpen. Bei Vollkostenrechnung ist die Wirtschaftlichkeit der Ökologischen Fleischziegenhaltung nicht gegeben. In Kombination mit der Landschaftspflege sind jedoch vergleichbare Einkommen wie mit der Ökologischen Milchziegenhaltung erzielbar (Rahmann 2000).

Im Vergleich zu unseren anderen Haustieren ist die Ziege besonders individuell, sehr neugierig, liebt Abwechslung, spielt gerne. Sie liebt Gehölzfutter, das Naschen und Suchen von Futter. Sie bildet stabile Herdenverbände aus und kümmert sich intensiv um ihre Nachkommen. Andererseits ist sie sehr empfindlich für schlechte Witterung, verdorbenes Futter, mangelhafte Pflege und Hygiene. Ist eine Ziege krank, ist sie nur schwer wieder gesund zu bekommen. Bei tiergerechter Haltung ist sie dann ein leistungsfähiges und genügsames Tier.

Es gibt nur wenig Erfahrung in der Biotoppflege mit Ziegen. So entstehen immer wieder Fehleinschätzungen und falsche Handlungen. Hier sollen einige Orientierungswerte angegeben werden, die eine betriebsindividuelle Planung und Umsetzung erleichtern und Fehler vermeiden helfen. Detailliertere Daten können bei Rahmann (1996 und 2000) nachgelesen werden. Folgende Auflagen sind in der Biotoppflege mit Ziegen üblich:

• Zeitlich eingegrenzte Beweidungszeiten (meist ab Mai/Juni bis Ende September)

• Festgelegte Besatzstärke (0,25 bis 1,4 GV pro Hektar sind üblich)

• Keine Zufütterung während der Beweidungszeit (weder Kraft- noch Rauhfutter)

• Verbot von bestimmten Eingriffe (z.B. Mulchen, Mahd, Meliorationen, Einsaat)

• Keine festen Zäune und Schutzhütten (landschaftsstörende Elemente)

• Zusätzliche Pflegeauflagen (z.B. Entfernen von Todholz, manuelle Entbuschung)

 

1. Welche Biotope können mit Ziegen gepflegt werden?

Ziegen können einen hohen Anteil ihres Futterbedarfs mit Blättern, jungen Gehölztrieben und Rinde decken, mehr als die Rauhfutterselektierer Schafe, Rinder und Pferde. Durch spezielle Enzyme ihres Speichels sind sie auch in der Lage, tanninhaltige Gehölzteile ohne gesundheitliche Schäden zu verdauen (Rahmann, 1996). Im Gegenteil, Tannine und andere sekundäre Pflanzenstoffe helfen bei der Verdauung und fördern die Gesundheit. Deswegen eignen sich Ziegen besonders für die Pflege verbuschter Magerrasen.

Ziegen eignen sich aufgrund ihrer hohen Futterselektion und dem breiten Futterartenspektrum auch für die Beweidung von Standorten, wo Rinder, Pferde und Schafe keine ausreichendes Futter finden würden. Als „Konzentratselektierer" suchen sie sich aus dem vorhandenen Futter die nährstoffreichsten Pflanzen bzw. Pflanzenteile heraus. Je intensiver eine Fläche beweidet wird, um so mehr muss dann nährstoffärmeres Futter aufgenommen werden, womit zwangläufig die Leistung sinkt.

Ziegen sind Feinschmecker mit einem großen Futterpflanzenspektrum und können durch die „fakultative Bipedie", also das zeitweilige auf zwei Beinen stehen, Gehölze bis zu 1,80 Meter verbeißen (Fresshorizont). Durch die gespaltene Oberlippe – ähnlich wie beim Schaf - kann die Ziege auch dornige Sträucher wie Schlehe, Weißdorn und Rosen beweiden (Äsen). Die hohe Verbissleistung der Ziegen läst nur eine zeitlich begrenzte Pflege zu. Erhaltenswürdige Gehölze wie Wacholder oder Obstbäume werden durch sie in Mitleidenschaft gezogen (Tabelle 1). Andererseits gibt es auch Gehölze, die auch die Ziege nicht mag.

 

Tabelle 1: Verbiss verschiedener Gehölze durch Ziegen

starker Verbiss

mittlerer Verbiss

geringer Verbiss

Haselstrauch

Schwarzdorn

Weißdorn

Buche

Faulbaum

Gemeine Esche

Zitter-Pappel

Eiche

Rose

Brombeere

Himbeere

Weide

Eberesche

Gemeiner Schneeball

Apfel

Fichte

Kiefer

Tanne

Hainbuche

Hänge-Birke

Moor-Birke

Gemeine Liguster (giftig)

Gemeine Fichte

Gemeine Kiefer

Roter Hartriegel

Pflaume

Birne

Kastanie

Robinie

Besenginster

Gemeiner Wacholder

Aspe

Süßkirsche

Lärche

Douglasie

Gemeine Berberitze

Heidekraut

Traubenkirsche

Eibe (giftig)

Vogelkirsche

 

2. Weidemanagement

Als fakultative Buschbeweider sollte der Anteil an Blättern und jungen Trieben von Gehölzen 60 Prozent der Gesamtfuttermenge von Ziegen nicht übersteigen. Bei einer Verbuschung zwischen 40 und 60 Prozent können Ziegen eine ausgewogenen Ernährung und eine gute Pflegeleistung erzielen. Liegt der Verbuschungsgrad unterhalb von 40 Prozent, so ist eine Mischbeweidung mit Schafen anzustreben, der Anteil an Ziegen sinkt dabei mit dem Verbuschungsgrad. Bei einem Verbuschungsgrad von 20 Prozent sollte das Verhältnis eine Ziege zu neun Schafen betragen. Bei weniger als 20 Prozent Verbuschung sind für die erhaltenden Pflege keine Ziegen mehr notwendig.

Die Weidedauer einer Koppel sollte zwischen zehn und zwanzig Tagen liegen, damit sowohl die Wurmproblematik begrenzt bleibt. Für futterarme Standorte (quantitativ und qualitativ) eine Besatzdichte (Tiere pro Hektar) von 15 (20 Tage) bis 30 Ziegen pro Hektar für 14 Weidetage. Für einen wüchsigen Standort ist die doppelte Anzahl angemessen (Beweidungszeit Juni/Juli). Wegen der Belastung mit Endoparasiten und möglichen Störungen der Flora und Fauna sollte keine Fläche mehr wie ein- bis zweimal pro Jahr beweidet werden. Die Besatzstärke (Tiere pro Hektar und Jahr) liegt dann bei 3 bis 6 Mutterziegen plus Lämmer pro Hektar und Jahr. Das heißt, mit z.B. mit einer Herde von 15 Mutterziegen 5 ha verbuschte Fläche gepflegt werden können. Weidereste von 50% sind akzeptabel. Die Beweidungszeiträume für Biotope liegen meistens zwischen Mai und September.

Litzenzäune sind auf extremen Flächen besser als Netze. Sie gewähren Wildtiere Durchlass, behornte Ziegen können sich nicht verheddern, sie lassen sich im Gestrüpp und bei flachgründigen Böden besser aufbauen und sind billiger. Bei einem Zaun mit Litze sollten mindestens drei, besser vier Drähte gespannt werden. Die Hütespannung muss mindestens 4.000, besser aber 6.000 bis 8.000 Volt betragen. Eventuell kann es erforderlich sein (z.B. bei trockenen Böden), eine Erdungslitze um die eingezäunte Fläche zu legen, um überall eine ausreichende Hütespannung zu erreichen.

Der Umtrieb und das Einfangen der Ziegen während oder nach einer Biotoppflege kann recht schwierig sein. Zum einen kann dieses an den menschenscheu gewordenen Tieren oder zum anderen an schwierigen Geländebedingungen bzw. unzugänglichen Weidefläche liegen. Folgende Tipps können gegeben werden, die sich auf das Verhalten der Tiere beziehen:

• Tiere außerhalb der Fläche (50 m) pferchen (Überraschungsmoment in unbekanntem Terrain nutzen, eine Herde in Trab ist weniger aufmerksam und in einem engen Gehüt)

• Tiere bereits vor der Beweidung auf Lockfutter konditionieren (Hütefähigkeit)

• Keine Tiere von der Herde abzusondern, immer Herdenverband anstreben

• Ruhe bewahren

• Tiere, die sich nicht einfangen lassen durch zahme Tiere locken

• Fangkorrals und/oder Fangnetze verwenden (mindestens 2 m hoch; Horden mit aufgesattelten Netzen eignen sich besonders)

 

3. Wie ist es um die Tiergesundheit bestellt?

Aus ökologischen Gründen sollten Parasitenbehandlungen so wenig wie möglich durchgeführt werden. Ist dieses nicht möglich, muss auf die Pflege verzichtet werden.

Bei der Biotoppflege werden Weidetiere mit giftigen Pflanzen konfrontiert, die als Bestandteil der Vegetation nicht eliminiert werden dürfen. Es gibt viele Giftkräuter auf Biotopen, die von den Tieren nicht gefressen werden: z.B. Tollkirsche, Eisenhut, Herbstzeitlose, Bingelkraut, Hahnenfußarten, Schöllkraut oder Wolfsmilcharten. Einige Giftpflanzen werden nur in geringen Mengen gefressen und wirken damit nicht toxisch: z.B. Sauerklee, Sauerampfer, Germer. Zu Krankheiten führt der übermäßige Fraß von Lupinen (Alkaloide) oder Johanniskraut (Inhaltstoffe führen zu Photodermatismus). Kreuzkraut und Dürrwurz führen zu Leberschäden, zu viel Sauerampfer zu Oxalsäurevergiftungen, Goldhafer zu Kalzinose, Hahnenfußarten zu Gastroenteritis, Durchfall und Atemlähmung, Steinklee hat einen hohen Cumarin-Gehalt (Sweet Clover Disease), Schutt- und Waldbingelkraut führen zu Leberschäden und Gastroenteritis. Bei den Gehölzen sind Eiben und Zypressen sehr giftig. Ansonsten können Ziegen als typische Buschbeweider auch Blätter und Triebe fressen, die für Schafe und vor allem für Rinder und Pferde giftig sind. Hierzu zählen die Eiche (grüne Blätter, Eicheln, Rinde mit Gerbsäure vom Typ Catechin), die Pflaume, die wilde Kirsche, (Cyanogene: werden zu Blausäure) und die Samen von Buchen (Gerbstoffe, Fagin) zu nennen. Nicht zuletzt kann der Almenrausch (Rhododendron hirsutum) Vergiftungen verursachen. Sumpf- und Ackerschachtelhalm sind ebenfalls toxisch für Ziegen.

Moderhinke ist eine der wichtigsten Erkrankungen der Schafe und Ziegen und tritt auf feuchten Flächen auf. Aus diesem Grunde sind nur gesunde Tiere auf solche Pflegeflächen aufzutreiben. Bei einer Verseuchung der Pflegeflächen kann eine Beweidung für einige Jahre unmöglich werden, wenn zu große wirtschaftliche Schäden und ein Leiden der Tiere vermieden werden soll.

Bei der Biotoppflege kommt es immer wieder zu Enterotoxämie. Die auch als Breiniere bezeichnete Krankheit wird durch Chlostridien (C. perfringens Typ D) hervorgerufen, die übliche Bewohner des Magen-Darm-Systems aller Wiederkäuer sind. Eine Chlostridiose-Erkrankung tritt nur nach einem rapiden Futterwechsel auf, und zwar von proteinarmes (schlechtes) auf proteinreiches (gutes) Futter. Langsames Anfüttern ist nach jedem stärkeren Futterqualitätswechsel erforderlich (notfalls durch zeitweise pferchen).

Lungenentzündungen sind eine häufige Erkrankung der Weidetiere im Naturschutz. Auch hier sind besonders kleine Wiederkäuer und Jungtiere betroffen. Fehlende Unterstände bei nasser Witterung können zu derartigen Krankheiten mit Todesfolge führen. Landrassen - die heute vielfach in ihrem Bestand als gefährdet anzusehen sind - sind hier wesentlich widerstandsfähiger als Hochleistungstiere.

Unfälle durch Absturz (Alpen), Ertrinken (Moore, Priele der Salzwiesen im Vordeichland), Strangulationen (z.B. in Dornensträucher; besonders gefährdet sind Wolltiere und Tiere mit Halsbändern bzw. Halftern), Knochenbrüche (z.B. Löcher im Boden), Klauenprobleme (Steine, Dornen) sind auf vielen Pflegeflächen häufiger als auf gewöhnlichen Weiden. Landrassen haben bessere Klauen und einen sichereren Tritt als Hochleistungsrassen und sind damit weniger unfallgefährdet. Grundsätzlich können sich jedoch alle Rassen an die physikalischen Geländebedingungen der Pflegeflächen gewöhnen.

 

4. Welche Ziegenrasse kann verwendet werden?

Robustrassen wie bei den Schafen und Rindern gibt es bei den Ziegen in Deutschland nicht. Grundsätzlich können aber alle Ziegenrassen für die Biotoppflege eingesetzt werden.

 

5. Wie rechnet sich die Biotoppflege mit Ziegen?

Das übliche Produktionsverfahren bei der Biotoppflege stellt die Sauglämmermast dar: die Lämmer bleiben den gesamten Sommer bei der Mutter. Auch wenn die Lämmer nur ungenügend zunehmen, so ist die Fleischziegenhaltung und Biotoppflege auch betriebswirtschaftlich eine interessante Kombination. In Tabelle 2 werden verschiedene Haltungsverfahren in ihrer Wirtschaftlichkeit miteinander verglichen.

Magerrasenpflege und Ziegenmilchgewinnung muss sich nicht ausschließen, ist jedoch nur schwer umsetzbar. In der Regel ist die Zeit der Magerrasenpflege (Mai bis September) auch eine Zeit der Laktation. Milchgewinnung während der Beweidung ist sehr arbeitsaufwendig und die Milchleistung sehr gering. Wird jedoch die Lammzeit sehr früh gelegt (Dez./Jan.), so ist die Möglichkeit gegeben, drei bis vier Monate Milch zu gewinnen. Die Tiere werden dann zur Magerrasenbeweidung trocken gestellt (Problem bei Milchleistungsrassen: Euterentzündungen und -verletzungen). Darüber hinaus kann versucht werden, nur Pflegeverträge anzunehmen, bei der die Pflege relativ spät durchgeführt (Juli bis Sept.) werden kann. Letztendlich besteht die Möglichkeit der Herdentrennung: nicht-laktierende Tiere werden für die Pflege eingesetzt, laktierende nicht. Hierfür sind die Bestände in der Regel aber nicht groß genug.

 

6. Zusammenfassung

Die Biotoppflege mit Ziegen kann ethologisch, ökologisch und ökonomisch für ökologisch wirtschaftende Betriebe sein. Wichtig ist die Kenntnis der besonderen Bedingungen bei der Beweidung von verbuschten, hängigen oder feuchten Flächen. Hier angegebene Faustzahlen sollen helfen, einfache Fehlentscheidungen und –handlungen zu vermeiden, damit Mensch, Ziege und Natur nicht unnötig zu Schaden kommen.

 

7. Literatur

Rahmann, G. (2000): Biotoppflege als neue Funktion und Leistung der Tierhaltung – Dargestellt am Beispiel der Kalkmagerrasenpflege mit Ziegen. Habilschrift, Agraria 28, Hamburg

Rahmann, G. (1996): Praktische Anleitungen zur Biotoppflege mit Nutztieren. Schriftenreihe Angewandter Naturschutz, Band 14, Lich

 

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